Ort: "Eingangsbogen des Dorfes"

Joseph V. Widmann

Es war ein Sonntagnachmittag, als ich diese Kurstudien unternahm.
Ich hatte den Vormittag damit verbracht, einen Ausflug nach Arquà zu machen, um das Haus und das Grab Petrarcas zu besuchen und so einen Eindruck von der landschaftlichen Beschaffenheit der Euganeischen Hügel zu gewinnen, dieser schönen, grünen vulkanischen Hügel, die sich südlich von Padua erstrecken und an deren Fuß Battaglia liegt. Es sind seltsame Berge, teils spitz zulaufende Trachythügel, teils langgestreckte, kühn geformte Höhen, die reichlich mit Weinstöcken, Feigenbäumen und anderen Gewächsen bewachsen sind, so dass man den Mangel an Wald nicht spürt. In ihrem Innern brodelt überall heißes Wasser. [...]

Es war am Sonntag Nachmittag, dass ich diese Badestudien anstellte.
Den Vormittag hatte ich zu einem Ausflug nach Arquà benützt, um das Haus und das Grab Petrarcas zu besuchen und so auch einen Eindruck zu gewinnen von der landschaftlichen Natur der Euganeen, dieser schön begrünten volkanischen Hügel, die sich südlich von Padua erstrecken und an deren Fuß Battaglia liegt. Es sind merkwürdige Berge, zum Teil Trachytkegel von kuehnen Formen, zum Teil gestreckte Höhenzüge, reich bedeckt mit Reben, Feigenbäumen und andern Kulturanpflanzungen, so daß der Mangel an Wald hier nicht bemerkbar wird. In ihrem Innern kochen allüberall die heißen Wasser [...]

Die Straße führte mich zunächst 20 Minuten lang entlang des schiffbaren Kanals, der die Brenta mit der Etsch verbindet. Es wäre eine etwas langweilige Straße, wenn man nicht das unbeschreiblich malerische Monselice vor sich hätte, eine auf einem Trachytfelsen gelegene Stadt, auf der die Ruinen einer alten venezianischen Burg, einer Kirche und Villen erhalten sind. Der Kegel des Berges stand so verführerisch und schön vor mir, dass ich fast meine Absicht verriet, nach Arquà zu pilgern. Aber auch in Arquà fand ich eine wunderbare Landschaft und eine herrliche Aussicht. Die Straße schlängelte sich vom Kanal landeinwärts zu den grünen Hügeln. Rechts und links des Weges befanden sich reichlich bewirtschaftete Felder. Zwischen Obstbäumen und Rebkränzen konnte man gelegentlich ein Bauernhaus erblicken, auf einer kleinen Anhöhe zur Rechten eine schlossartige Villa mit Zypressen. [...]

Mein Weg führte mich zuerst zwanzig Minuten dem schiffbaren Kanal entlang, der die Brenta mit der Etsch verbindet. Es wäre ein etwas langweiliger Weg, hätte man nicht vor sich das unbeschreiblich malerische Monselice, ein Städtchen, das an einem steilen Trachytfelsen liegt, auf dem man noch die Trümmer eines alten venezianischen Schlosses gewahrt, eine Kirche und Villen. So verführerisch schön lag der Bergkegel vor mir, dass ich beinahe meiner Vorsatze, nach Arqua zu pilgern, untreu geworden wäre. Doch auch in Arqua fand ich eine entzückende Landschaft und die herrlichste Aussicht.
Der Berg bog vom Kanal landeinwärts zu den grünen Hügeln. Rechts und links von der Straße lagen reichbebaute Felder; zwischen den Fruchtbäumen und Rebenguirlanden ward zuweilen ein Bauerngehöfte sichtbar, aus einem kleinen Hügel zur Rechten eine schloßähnliche Villa mit Zypressen.[...]

Wo man auch hinschaut, alles in dieser bezaubernden Gebirgsgegend besticht durch seinen Reichtum an Fruchtbarkeit. An den Hecken entlang der Straße wie in den Gärten leuchten die Rosen. Die Kirche von Arquà mit ihrem Hauptplatz liegt auf einer tiefen Terrasse dieses natürlichen Kreises; das Grab von Petrarca befindet sich auf dem Platz vor der Kirche. [...]

Wohin das Auge blickt, überall trifft es in dieser reizenden, gebirgigen Gegend auf reiche überquellende Fruchtbarkeit. Aus den Hecken am Wege aber, wie aus den Gärten leuchten Rosen.
Die Kirche von Arqua mit dem Hauptplazt liegt auf einer tiefern Terrasse dieses natürlichen Cirkus; das Grab Petrarcas steht auf dem Platze vor der Kirche. [...]

Ich ging dann die Dorfstraße hinauf und erreichte nach zehn Minuten das Haus Petrarcas. Das Haus liegt auf der Wasserscheide des Berges und bietet einen herrlichen Blick auf die gesamte Umgebung, sowohl auf die Ebenen von Padua und Venedig als auch auf die Höhen des fernen Apennin und die nahen Euganeischen Hügel. Diese Aussicht macht es verständlich, dass Petrarca seinen Lebensabend in dieser ländlichen Einsamkeit verbringen wollte. Die ganze Welt lag ihm zu Füßen. ("Die lärmenden Städte sind weit weg im Tal", Byron). Der Horizont scheint grenzenlos. Eine Sommernacht auf diesem Aussichtspunkt, darüber der Himmel funkelnd mit Sternen, die ganze Ebene glitzernd mit den Millionen von Glühwürmchen und dazu der duftende Atem der Rosen im Garten; wahrlich, man kann sich kein besseres Asyl für den Dichter vorstellen.

Ich stieg nun die Dorfstraße hinan und erreichte nach zehn Minuten die Casa Petrarca. Das Haus liegt auf der Wasserscheide des Berges und beherrscht eine wunderbare Rundsicht übers ganze Land, in die Ebene gegen Padua und Venedig wie zu den Höhen des fernen Apennin und den benachbarten euganeischen Hügeln. Diese Aussicht macht es am meisten begreiflich, dass Petrarca hier, in solcher Dorfeinsamkeit, seinen Lebensabend zubringen mochte. Die ganze Welt lag gleichsam zu seinen Füßen. ("Die lauten Städte liegen ferne im Thale", Byron.) Der Horizont scheint grenzenlos. Eine Sommernacht auf dieser hohen Warte, den von Gestirnen glühenden Himmel über sich, die ganze Ebene leuchtend von den Millionen fliegender Scheinwürmchen, dazu das Duftatem der Rosen des Gartensfürwahr ein schöneres Dichterasyl läßt sich nicht denken.

da Sizilien und andere Gegenden Italiens. Reiseerinnerungen. Frauenfeld, 1898
Joseph V. Widmann

Joseph V. Widmann

Geburt: 20. Februar 1842, Mähren, Brünn, Tschechien
Tod: 6. November 1911, Bern, Schweiz
APPROFONDIMENTO